Egbert Mittelstädt – 2012
Egbert Mittelstädt – Fotografische Arbeiten
Installationen im carré domstrasse, März – Mai 2012
Zu der Fahneninstallation im orangen Treppenhaus des carré domstrasse:
„Gyroskop 1“ Egbert Mittelstädt, 2012
Namensgeber der Arbeit ist ein Gyroskop, ein Drehratensensor. Er arbeitet ähnlich einem Kreiselkompass. Das Ausgangssignal ist proportional zur Winkelgeschwindigkeit (°/s). Bei bekannter Geschwindigkeit lässt sich somit der Winkel, um den sich das Objekt gedreht hat, bestimmen.
Prominentester Einsatz ist sicher die Raumstation ISS, die unter zu Hilfenahme von Gyroskopen ihre Lage im Weltraum bestimmt, um nicht aus der Umlaufbahn zu rutschen und damit an die Erde herangezogen zu werden. Eingesetzt werden Gyroskope in Navigationssystemen, GPS, im Modellbau (insbesondere Flugmodelle), bei Robotern und als Verwacklungsausgleich z.B. bei Kameras.
Die Aufnahmen für „Gyroskop 1“ entstanden währenden einer Aufzugfahrt in einem der gläsernen Aufzüge im Berliner Hauptbahnhof. Hierbei wurde die (Video-)Kamera nicht nur durch den Aufzug auf und ab bewegt, sondern auch horizontal geschwenkt. In der Nachbereitung wurden die Aufnahmen zusätzlich um die eigene Achse gedreht. Ähnlich wie ein Fahrtenschreiber oder ein Seismograf werden die Bilder der Aufnahmen in der Zeitachse ausgebreitet. Die horizontale Anordnung von Gyroskop 1 ist dabei nebensächlich – die Bilder folgen hier also einer Bewegung von oben nach unten.
Im Treppenhaus des carré domstrasse ergeben die acht Teile der Arbeit eine Fahrt von 23 Metern, ein Bild das sich nicht auf einen Blick erschließt.
Stück für Stück, vielleicht beim täglichen Weg durch das Treppenhaus, kommen neue Teilstücke von Gyroskop 1 ins Blickfeld. Die beste Ansicht des Gesamtwerks ist bei Dunkelheit vom Innenhof durch die Beleuchtung des Treppenhauses gegeben.
Das Video zu dieser Arbeit läuft als eines von drei Arbeiten im Empfangsbereich.
Zu den fotografischen Arbeiten im Empfangsbereich des carré domstrasse:
Egbert Mittelstädt gestaltet mit Hilfe einer Slit-Scan-Kamera fotografische Szenen, in denen die Dimension der Fotografie scheinbar ins Unendliche führt.
Auf der Slitscan-Technik beruhend wird das Filmmaterial bei der Belichtung konstant bewegt und bei offenem Verschluss (Schlitz) belichtet. Hierbei werden die Räume vor der Kamera zu Streifen komprimiert und lediglich Bewegungen im Raum von der Kamera in konkreter Form auf das Filmmaterial geschrieben. Eine hohe Spannung zwischen Unschärfe und Abbildung, konkreten und abstrakten Bildelementen entsteht.
Die Basis seiner Motive und Kompositionen bestehen immer aus dem Verhältnis von Zeit, Raum und Bewegung – zeitliche Vorgänge werden im Bild deutlich und eingefroren.
Mittelstädt geht es jedoch nicht um die Aufnahmetechnik selbst, sondern immer in erster Linie um die entstehenden Bilder. Und am Ende steht jeweils eine Gesamtkomposition, die der Künstler schon von Beginn an vor Augen hatte. Der Zufall spielt in seinem Werk nur eine untergeordnete Rolle.
Egbert Mittelstädt 2012 / Volker Hilgert KOELN-ART – Moderne+Zeitgenossen